Unter den 20 000 französischen und belgischen Kriegsgefangenen, die während des Juni 1940 im Lager eintrafen, befand sich der französische Komponist Olivier Messiaen. Über seinen Dienst in der französischen Armee gibt es unterschiedliche Aussagen. Einer Quelle zufolge war er Musiker in einer Musik- und Theatergruppe der 2. Armee gewesen (wo er den Cellisten Étienne Pasquier und den Klarinettisten Henri Akoka kennengelernt haben soll), laut einer anderen hatte man ihn wegen seines schwachen Sehvermögens einer Sanitätsabteilung zugewiesen. Bei Verdun geriet er in deutsche Gefangenschaft und wurde zusammen mit Tausenden seiner Landsleute ins Stalag VIII A verbracht. Auch wenn der Aufenthalt in Gefangenschaft für jeden Einzelnen ein singuläres, einschneidendes Erlebnis darstellte, so kann man doch behaupten, dass Messiaen Glück hatte. Erstens war er französischer Soldat, und die Deutschen respektierten im Fall der französischen, belgischen, holländischen sowie später der britischen und amerikanischen Gefangenen die Regeln der Genfer Konvention; zweitens traf er im Lager Carl-Albert Brüll, einen französisch sprechenden Juristen aus Görlitz, der im Stalag als Dolmetscher eingesetzt war. Brüll, vom Schaffen Messiaens fasziniert, ermöglichte ihm das Komponieren, indem er ihm Notenpapier und Bleistifte beschaffte und vor allem einen Raum organisierte, in dem der Komponist ungestört arbeiten konnte. Unter solchen Bedingungen entstand das „Quartett für das Ende der Zeit“ für Violine, Violoncello, Klarinette und Klavier, eine Komposition, die später zu den bedeutendsten Werken der Kammermusik gerechnet wurde.

Das Quartett wurde an einem frostigen Abend, am 15. Januar 1941, in der Baracke 27 B uraufgeführt, in Anwesenheit mehrerer hundert Gefangener und des Lagerpersonals. Es muss ein erschütterndes Erlebnis gewesen sein, nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für die Ausführenden. Den Klavierpart spielte der Komponist selbst, Violine spielte Jean Le Boulaire, Klarinette Henri Akoka und Cello Étienne Pasquier. Ein handgefertigtes Lagerplakat der ersten Aufführung ist erhalten; auf der Rückseite haben die Musiker ein paar Worte niedergeschrieben, mit denen sie dem Komponisten ihre Bewunderung und Dankbarkeit bekunden.
In ihrem Buch For the End of Time: The Story of the Messiaen Quartet schreibt Rebecca Rischin, Klarinettistin und Schriftstellerin, Henri Akoka habe behauptet, die einzige Erinnerung an den Krieg, die er im Gedächtnis behalten möchte, sei dieses Quartett. Allerdings hat er es nie wieder gespielt.

Erwähnenswert ist noch ein Ereignis, über das Cynthia Haven in ihrem Artikel in „Stanford News” anlässlich des 100. Geburtstages von Olivier Messiaen berichtet. Der oben erwähnte Carl-Albert Brüll warnte französische Gefangene jüdischer Abstammung vor Fluchtversuchen, weil er meinte, im Stalag seien sie sicherer als in der Freiheit. Henri Akoka, Jude aus Algerien, wurde von ihm im letzten Augenblick von einem Lastwagen gezerrt, mit dem er flüchten wollte. Doch Henri Akoka meinte, „Gefängnisse seien dazu da, um aus ihnen auszubrechen“. Nach einigen vergeblichen Fluchtversuchen ist es ihm im April 1941 dann doch gelungen, aus dem Stalag zu entkommen. „Mit der Klarinette unter dem Arm“ sprang er auf einen fahrenden Zug und gelangte in die sogenannte Freie Zone (Vichy-Frankreich). Henri Akoka starb 1976.

Olivier Messiaen wurde im Februar 1941, kurz nach der Uraufführung des „Quartetts“, aus dem Stalag entlassen. Das verdankte er wahrscheinlich der Hilfe Carl-Albert Brülls, der angeblich die nötigen Dokumente fälschte.