Wiederaufbau einer Baracke
Seit 2017 setzt die Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII A Görlitz schrittweise in mehreren Modulen, auf vielen Ebenen und in vielen Bereichen ein Programm zum Gedenken an das ehemalige Lager und zur historischen und staatsbürgerlichen Bildung um.
Die Umsetzung des Moduls „Barackenrekonstruktion“ begann im Jahr 2021, als nach einer Vereinbarung zwischen der Stiftung und der Stadt Görlitz eine historisch bedeutsame Baracke abgebaut und nach Zgorzelec gebracht wurde.
In den folgenden Jahren wurden ein Konzept für den Wiederaufbau der Baracke und ein vorläufiger Finanzierungsplan für das Projekt entwickelt, und Vertreter der Stiftung und des Vereins Meetingpoint Memory Messiaen stellten das entwickelte Projekt für den Wiederaufbau der Baracke und die Einrichtung einer historischen und pädagogischen Station in ihr bei Institutionen in Polen und Sachsen vor.
Als nächsten Schritt organisierten die Stiftung und der Verein am 11. April 2024 ein Arbeitstreffen im Europäischen Zentrum in Koźlice, bei dem das Projekt vorgestellt und seine Durchführbarkeit diskutiert wurde.
An dem Treffen nahmen Vertreter zahlreicher polnischer und deutscher Institutionen teil. Anwesend waren: Magdalena Erdman vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe, Robert Kostro, Direktor des Museums für polnische Geschichte, Dr. Violetta Rezler-Wasielewska, Direktorin des Zentralen Kriegsgefangenenmuseums in Łambinowice, Renata Paluch, Leiterin der Bildungsabteilung im Museum Gross-Rosen in Rogoźnica, Dr. Tomasz Głowiński, Prof. der Universität Wrocław, Dr. Marek Wolanin, Mitglied des Stiftungsrates sowie Dr. Wojciech Głowa, Archäologe aus Kraków, der den Abbau der Baracke in Görlitz sowie die Forschungsarbeiten zu den Materialien, aus denen die Baracke gebaut wurde, geleitet hat.
Die deutsche Seite wurde vertreten durch: Sven Hacker vom Sächsischen Staatsministerium Allgemeine Kulturangelegenheiten, Sorben, Erinnerungskultur, Benedikt Hummel Bürgermeister für Kultur, Jugend, Schule, Sport, Soziales, Bauen und Stadtentwicklung der Stadt Görlitz, Michael Heidrich und Henry Krause von der Sächsischen Staatskanzlei, Antje Klose und Gabriele Neugebauer in Vertretung des Landrates von Görlitz, Antonia Menzel Kulturmanagerin, Stadtverwaltung Görlitz, Tobias Panke, Leiter Denkmalschutzbehörde Stadtverwaltung Görlitz.
Die Sitzung wurde von Kinga Hartmann-Wóycicka und Alexandra Grochowski geleitet.
Die Teilnehmer des Treffens bekundeten ihr Interesse und ihre Bereitschaft, an dem inhaltlichen Konzept mitzuarbeiten und es zu unterstützen. In dieser Hinsicht waren die Erklärungen von Dr. Violetta Rezler-Wasielewska und Prof. Tomasz Głowiński besonders erfreulich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl die polnische als auch die deutsche Seite ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dem Projekt bekundet und die Notwendigkeit der Umsetzung des Projekts für das sächsisch-niederschlesische Grenzgebiet sowie seine symbolische Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen im Hinblick auf den Versöhnungsprozess anerkannt haben.
Gemeinsam für eine Region
Europäischer Erinnerungspark in der Europastadt Görlitz-Zgorzelec
Projekt der Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur und des Vereins Meetingpoint Memory Messiaen e. V.
Unter welchen Umständen und zu welchem Zweck entstand das Projekt, ein modernes Museum auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII A Görlitz, das sich heute auf polnischer Seite befindet, zu errichten? Warum wurde beschlossen, eine Baracke aus dem Zweiten Weltkrieg für diesen Zweck zu nutzen?
Das 2017 entwickelte Konzept für die Schaffung des Europäischen Erinnerungsparks sieht vielfältige Maßnahmen vor, um des Schicksals der Kriegsgefangenen dieses Lagers als Symbol und Warnung vor politischem Extremismus zu gedenken. Diese Mahnung ist besonders wichtig für die nachfolgenden Generationen aus der Neißegrenzregion auf beiden Seiten der Grenze. Hier treffen sich nämlich die Nachkommen derjenigen, die die Auswirkungen des Krieges in besonders schwerwiegender Weise erlebt haben.
In den letzten Jahren – und die aktuellen Wahlergebnisse sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür – haben nationalistische Stimmungen und das Erstarken rechtsextremer Gruppen sowohl in Sachsen als auch in Polen zugenommen. Zum Schutz der demokratischen Ordnung und zur Förderung der staatsbürgerlichen Einstellung der Menschen in der Region sind daher unbestreitbar entsprechende Bildungsmaßnahmen erforderlich.
Im Konzept für den Erinnerungspark werden langfristige strategische Aktivitäten vorgesehen und geplant, die mit ihrer Wirkung auf alle gesellschaftlichen Gruppen die deutsch-polnische Grenzregion durch moderne Bildungs- und Tourismusangebote sowie Aktivitäten im Bereich der Hochkultur attraktiver machen sollen.
Die Errichtung des Erinnerungsparks und die Betonung der in seinem Konzept erwähnten Bildungsarbeit sind ein äußerst wichtiger Beleg dafür, dass der europäische Gemeinschafts- und Kooperationsgedanke und die daraus resultierenden Verpflichtungen für die Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur und den Verein Meetingpoint Memory Messiaen e.V. einen Schwerpunkt darstellen und eine Aufgabe sind, die sich nicht nur aus der Kenntnis der vertraglichen Bestimmungen (z.B. Deutsch-polnischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991), sondern auch aus der Sorge um die demokratische Ordnung in der Region ergibt.
Inhaltliche Säulen des Erinnerungsparks
Haupttätigkeitsbereiche. Strukturelle und inhaltliche Gliederung
Die operative Strategie des Erinnerungsparks stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen. Dazu gehören die folgenden Themenbereiche:
– Vergangenheit für die Zukunft. Forschungs-, Archivierungs-, Ausstellungs- und Publikationstätigkeiten
– Kultur und Kunst als Ausdruck der Erinnerung
– Europa und wir. Staatsbürgerliche Bildung.
Die Aktivitäten in den oben genannten Bereichen/Profilen werden parallel durchgeführt, sie ergänzen sich und bilden ein inhaltlich kohärentes Ganzes. Wichtig ist dabei der spezifische Bezug zum Ort der Durchführung, d.h. einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager aus dem Zweiten Weltkrieg, und zur historischen Erinnerung an die Zeit der kommunistischen Diktatur, unter Berücksichtigung der Besonderheit des sozialen Gedächtnisses in einer Region, in der ein vollständiger Bevölkerungsaustausch und damit ein Missverhältnis zwischen materiellem Kulturerbe und dessen immaterieller Überlieferung stattgefunden hat.
In diesem Zusammenhang legen wir besonderen Wert auf Bildung im weitesten Sinne.
Das Profil „Staatsbürgerliche Bildung“ ist eine Innovation in der Bildungslandschaft der sächsisch-polnischen Grenzregion.
Schritt für Schritt nähern sich die beiden Gesellschaften einander an, die Bewohner lernen das kulturelle Erbe und die Bräuche des jeweils anderen kennen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Barrieren, Vorurteile und negativen Stereotype verschwunden sind. Einige von ihnen sind tief in der gesellschaftlichen Mentalität verwurzelt. Die Zufriedenheit mit dem wirtschaftlichen Standard des täglichen Lebens hat sich als unzureichende Garantie für die Konsolidierung einer demokratischen politischen Kultur erwiesen.
Die derzeitige Situation politischer Spannungen in Europa und die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine begünstigen die Entwicklung extremer nationalistischer Haltungen in Europa, darunter in Deutschland und Polen, und stellen eine Gefahr für die Demokratie dar. Mit Blick auf die Zukunft muss erkannt werden, dass die Grenzregion nur dann ein lebendiger homogener Organismus und eine führende Region in Zeiten des Strukturwandels werden kann, wenn die Länder im Rahmen der europäischen Nachbarschaft und Sicherheit solidarisch zusammenarbeiten.
Ein Schlüsselprojekt im Zeitrahmen 2025–2030 für die Schaffung des Erinnerungsparks, dessen Realisierung viele Bildungs- und Tourismusangebote für die Region eröffnen wird, ist der Wiederaufbau einer Baracke vom Typ RLM 501 aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs
Die in mehrjähriger Arbeit gewonnenen Erfahrungen haben es ermöglicht, in Übereinstimmung mit den Statuten der beiden Institutionen und den oben genannten Themenbereichen ein Projekt von struktureller und symbolischer Bedeutung im Bereich der Europastadt Görlitz-Zgorzelec durchzuführen.
Es wurde ein Instrumentarium (finanzieller und inhaltlicher Projektumfang) entwickelt, das die Schaffung einer musealen, pädagogischen, kulturellen und touristischen Einrichtung im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien ermöglicht.
Für die praktische Umsetzung der oben beschriebenen Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der Stiftung und dem Verein wurden mehrere Module entwickelt. Eines dieser Module möchten wir hier vorstellen.
Das Modul, das wir zwischen 2025 und 2030 realisieren wollen, ist die Schaffung einer Museums- und Bildungseinrichtung für historische und politische Bildung in einer rekonstruierten Baracke aus dem Zweiten Weltkrieg sowie die Erinnerung an das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag VIII A Görlitz als Beispiel für den Terror und die autoritäre Herrschaft des Dritten Reiches.
Die Arbeit an diesem Modul ist auch wichtig für die Umsetzung der gemeinsamen Strategie zur Entwicklung von Kultur, Bildung und Tourismus in der Europastadt Görlitz-Zgorzelec. Die Umsetzung der Maßnahmen wird ein Beispiel für die Verwirklichung der europäischen Ziele für gemeinsame grenzüberschreitende Maßnahmen zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Identität und der Zivilgesellschaft in der Grenzregion von Sachsen und Niederschlesien sowie darüber hinaus sein.
Wie die Idee des Barackenumbaus entstand. Ausgewählte Fakten in Kurzform
Die ursprüngliche Baracke vom Typ RLM 501, die in Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern eingesetzt wurde und sich auf dem Görlitzer Gelände befand, musste aufgrund geplanter Baumaßnahmen kurzfristig demontiert bzw. abgerissen werden. Aufgrund seines historischen Wertes wurde es schließlich in einem bilateralen Abkommen an die Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur übergeben, die einen Teil des Geländes des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers, das sich bis 1945 in Görlitz-Ost und heute in Zgorzelec befindet, rechtlich verwaltet.
Der Verein Meetingpoint Memory Messiaen e.V. kümmerte sich um die Einholung der Genehmigung des Sächsischen Landesdenkmalpflegers für die Verlegung der Baracke, die Vorbereitung der Dokumentation und die Organisation der für die Realisierung dieses Teils des Projekts erforderlichen Spendenaktionen.
Im Gegenzug führte ein Team polnischer Spezialisten unter der Leitung von Dr. Wojciech Głowa detaillierte Untersuchungen zur Struktur der Bausubstanz durch, archivierte den vorhandenen Zustand, erstellte einen Konservierungsplan für die verschiedenen Teile und baute die Baracke ab.
Nach dem sorgfältigen Abbau und der Entfernung von Elementen, die ihren Gebrauchswert verloren hatten, durch das Krakauer Team, wurde die Baracke der polnischen Seite übergeben. Die Teile werden in der Nähe von Zgorzelec gelagert. Die Einlagerung wird seit 2021 von der Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur finanziert.
Die nächste Phase des Projekts umfasst den Wiederaufbau der Baracke und die Einrichtung eines Zentrums für historische Bildung über den Zweiten Weltkrieg und soziale und staatsbürgerliche Bildung für ein demokratisches Europa, das einzige Zentrum dieser Art in der sächsisch-polnischen Grenzregion und im deutsch- polnisch-tschechischen Dreiländereck.
In der rekonstruierten Baracke wird eine moderne Ausstellung über das Stalag VIII A Görlitz und die Kriegsgefangenen dieses Lagers gezeigt. Die Ausstellung wird mit einer Vielzahl von mehrsprachigen Materialien ausgestattet, die nach modernen musealen Methoden und technischen Möglichkeiten entwickelt wurden.
Die Realisierung dieses Moduls wird ein Vorläufer für den nächsten Schritt sein, nämlich die Entwicklung einer Dauerausstellung, die auf den erhaltenen Fundamenten der Lagerbaracken und Fragmenten anderer Elemente der Lagerinfrastruktur basiert. Damit würde ein interessanter historischer und Ausstellungsraum für die Besucher geschaffen. Diese Art von moderner Lösung wird in vielen historischen Gedenkstätten (z. B. Berlin, Łambinowice) eingesetzt.
Kurzer Überblick über die durchgeführten und geplanten Aktivitäten
Der Rückbau der Baracke fand im Oktober 2021 statt. Es wurde ein detailliertes Protokoll erstellt und eine chemische Analyse der beim Bau verwendeten Materialien und Farben in Labors in Krakau durchgeführt. Durch eine gründliche Untersuchung der Materialien soll sichergestellt werden, dass für den Wiederaufbau der beschädigten Baracke und die Konservierung der für den Wiederaufbau verwendbaren Teile erforderlichen Stoffe verwendet werden.
Durch eine sorgfältige Untersuchung der Materialien soll sichergestellt werden, dass sowohl für die Rekonstruktion der beschädigten Teile als auch für die Restaurierung der für den Wiederaufbau geeigneten Teile, erforderliche Stoffe verwendet werden.
Die Planung des Wiederaufbaus der Baracke, die in Zusammenarbeit mit Denkmalpflegern, Architekten, einem Archäologen und der Baufirma durchgeführt wird, wird es ermöglichen, einen genauen Plan für die Finanzierung der Kosten zu erstellen sowie den Bau unter Berücksichtigung aller Unwägbarkeiten und der damit verbundenen Aufteilung des Bauvorhabens in verschiedene Phasen und Bereiche zu planen.
Die meisten Originalelemente der denkmalgeschützten Baracke aus Görlitz müssen fachgerecht restauriert werden. Einige Teile der Wände sowie das Dach und der Boden müssen neu errichtet werden.
Das Fundament dieser Baracke an der Gedenkstätte soll das Originalfundament einer bauähnlichen Baracke im Stalag VIII A sein. Dieses Fundament und der Boden müssen archäologisch untersucht und für die Errichtung der Baracke auf diesem Fundament vorbereitet werden.
Eine wichtige Aufgabe, die erledigt werden muss, damit die Baracke ihre erwartete Funktion erfüllen kann, ist der Anschluss neuer Versorgungsleitungen während des Baus.
Die Baracke wird von Experten unter Verwendung von Original- und rekonstruierten Teilen wiederaufgebaut. Die Aktivitäten werden sich auf eine Analyse der für den detaillierten Wiederaufbau erstellten Demontageunterlagen stützen.
Die in der Baracke untergebrachten Ausstellungen und modernen pädagogischen und didaktischen Instrumente werden einen aktiven Ort der Erinnerung und Bildung schaffen. Die Ausstellungen und Medienstationen werden parallel zum Aufbau der Baracke konzipiert. Dazu gehört auch die Suche nach Materialien in Archiven auf der ganzen Welt.
Die geschätzten Gesamtkosten für die Finanzierung des dreijährigen Projekts belaufen sich auf 1.530.000,00 EUR. Der Finanzplan wurde 2023 erstellt.